Das Heiner-Prinzip

Das Heiner-Prinzip

Was hat mich jahrelang so dominant in Deutschland gemacht, wie sah mein Training aus?
Ich sag nur eins dazu: Es war das „Heiner-Prinzip“ und sehr viel nach Gefühl.

Mein Erfolgs-Coach Heinz Weber war überzeugt vom Tempowechseltraining und hat mich letztlich 8 Jahre hintereinander dazu gebracht, dass ich die 10.000m immer unter 32 Minuten laufen konnte. Meine Ausdauer und vor allem wettkampfspezifische Tempohärte waren meine Wunderwaffe. Nur in absoluten Ausnahmefällen oder in Trainingslagern mit anderen ließ er mich mal ganz normale Intervalle wie 10-15x400m mitmachen.
Er sagte immer: “Was nützt es Dir einmal 400m in 60 Sekunden laufen zu können, wenn Du das aber nicht mehr nach 9600m in einem 10.000m-Rennen kannst, weil Dir die Ausdauer bzw. Tempohärte fehlt!?“ Damit hat er ja eigentlich Recht, oder nicht? Dass eine gewisse Geschwindigkeit von Nöten ist, das wusste auch er und so wurde nur nach einem seiner typischen Tempowechseltrainings von 12-16km auf der Bahn ab und zu noch ein Tempolauf von 700m eingebaut. Hier musste ich die ersten 400m in einem Tempo von 3:30min/km bis 3:40min/km absolvieren und dann hieß es Vollgas. Vollgas war dann zu meinen besten Zeiten sogar mal 43 Sekunden auf 300m. Im Normalfall lief ich diese aber immer schon im ermüdeten Zustand noch zwischen 45 und 47 Sekunden.
Heiners Ziel war es, immer die anaerobe Schwelle so weit nach rechts zu verschieben, dass man lange in der Lage war, ein hohes Tempo vertragen und laufen zu können und dass man zum Schluss immer noch Kräfte für einen Endspurt hatte. Und diesen hatte ich tatsächlich, obwohl ich nicht die Grundschnellste war.
Aber wie verschoben wir die Schwelle und woher wussten wir, wo diese lag? Wir machten immer zweimal im Jahr eine Leistungsdiagnostik und dann hatten wir genau Werte. Dies kann man aber auch in einem Testwettkampf ungefähr erkennen und bestimmen. Aufgrund dieses Wissens fing ich dann beim Tempo-Training erst einmal an, meine Runden zu drehen, aber auch schon in einer Pace von 3:45min/km, und dann sah Heiner recht schnell, ob ich gut drauf war oder nicht. Sah es locker und flüssig oder eher gequält aus? Er stellte sich also extrem auf mich ein und so war das Training nie wirklich nach Plan gerichtet, sondern nach meinem Körper und meiner Tagesform. Ich musste viele Runden über der Schwelle laufen, viele an der Schwelle und einige darunter, aber immer nur kurz. Wenn meine Schwelle zum Beispiel bei 3:20min/lag, so begann ein Training mit 88-90 Sekunden pro Runde, dann wurde es immer schneller und dann hieß es so und jetzt zwei Runden auf 80, also genau an meiner Schwelle, bleiben und dann noch eine schnelle Runde oder zwei darunter und dann wieder zurück aufs Grundtempo. Hier legte sich Heiner auch nicht fest und so konnte ich, wenn ich fit war, locker 72 Sekunden dazwischen ballern oder nur 78 Sekunden und dann kam aber kein Stehen oder Traben, der Körper durfte nur zurück aufs Grundtempo. Dieses Grundtempo waren dann wieder die 3:45min/km oder sogar schneller, wenn die Form gut war. Am Ende von den 14 oder 16km hieß es fast immer entweder 2000m schnell oder, wenn ich mich nicht so gut fühlte, nur 1200m und dann musste ich rennen, was mein Körper noch hergab. Ich erinnere mich noch genau an die Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2008, wo ich einmal im Training zum Schluss die 2000m noch in 6:14 Minuten laufen konnte. Mein bester Gesamtschnitt solch einer Einheit war einmal sogar auch 3:20min/km. Zweimal in der Woche musste ich dieses Training absolvieren und es war so hart, dass die Dauerläufe an den dazwischenliegenden Tagen natürlich auch nicht so schnell wie bei anderen Athleten waren. Ich hörte in mich hinein und sammelte viele ruhige Kilometer und eigentlich erst als ich angefangen habe, auf andere und nicht auf mich zu hören, fingen die Verletzungen an. Natürlich lief ich bei Heiner auch nur mal 12km Tempowechsel oder in einer Wettkampfwoche zum Beispiel dienstags nur 8km Tempowechel und anschließend mit Spikes einen Tempolauf über 1200m. Irgendwann liefen wir vor jedem wichtigen 10.000m-Rennen einen 4000m-Testlauf im Training, wir simulierten also eine Wettkampf-Belastung, natürlich erst nach 8km Tempowechsel versteht sich. Lief ich diesen, meist alleine, unter der angepeilten Wettkampfgeschwindigkeit, wussten wir, ich schaffe es auch durchzulaufen und in den meisten Fällen war das auch so. Vor Peking 2008, wo ich meine Bestzeit von 31:14 aufgestellt habe, bin ich eine Woche vorher die 4000m in einer Pace von 3:02min/km gelaufen. Da dieses Training aber im Großen und Ganzen sehr ausdauerlastig und nicht ganz wettkampfspezifisch war, waren Heiner gerade deshalb Wettkämpfe oder diese Tempotests im Training sehr wichtig. Wettkämpfe sind das beste Training und dadurch entwickelte ich mich auch immer noch viel weiter, als wenn ich nur trainiert hätte. Im Training legte ich dann die hohe Basis und die Wettkämpfe sorgten für den letzten Kick. Ich gehöre bis heute eher zu den Wettkämpfern als zu den Trainingsweltmeistern.

Das Grundprinzip dieses Trainings ist ganz klar, dass der Körper sich nie wirklich erholt, der Puls immer oben bleibt und der Wettkampfbelastung sehr nahekommt. Im Wettkampf macht man ja auch keine Trabpausen. Gerade auch mental ist diese Trainingsform natürlich der Wahnsinn. Wer läuft schon gerne 40 Runden am Stück und weiß nicht, was in der nächsten Runde auf einen zukommt?

Der einzige Nachteil an dieser Trainingsform war jedoch, dass ich zwar ein ganzes Jahr auf einem hohen Niveau war, wir aber oft das Training nicht ganz auf den Höhepunkt timen konnten.
Ich musste jedoch meistens schon im April oder Mai des Jahres immer in der Form sein, um die hohe Qualifikations-Norm von 31:40 Minuten über 10.000m zu unterbieten und so war es immer schwer dann noch eine Schippe draufzulegen. Heute ist die Norm etwas langsamer und das finde ich auch gut so. Man soll doch beim Höhepunkt fit sein und nicht die Qualifikation sollte schon das Jahres-Highlight sein.
Wie schon in meinem Lebenslauf erwähnt, kamen immer wieder auch Zweifel an dem Training und ich wechselte zu anderen Trainern, aber am Ende war dies die effektivste Form für mich und letztlich auch die, mit der ich am schnellsten war und so führte mein Weg immer wieder zu Heiner zurück.
In dieser Rubrik werde ich auf jeden Fall auf Trainingsinhalte eingehen, wie ich das Tempowechseltraining heute gestalte, ohne das Heiner am Rand steht, und wie ich mittlerweile doch auch mal Intervall-Läufe einbaue und wie ich diese dann gestalte und und und…
Und es wird auch nicht ganz so kompliziert und ich hoffe, Ihr konntet halbwegs folgen.
In diesem Sinne #staymockivated